Wen interessiert's?

Wer liest denn so einen Riesenschinken? Ich meine 2900 Seiten. Geht's noch?

Ich finde den Helden sympathisch und freue mich, ihn lange begleiten zu können.

Das war nicht die Frage.

Ich weiß, ich weiß, ohne eine 'Zielgruppe' geht's nicht. Das ist wie Schnitzel ohne Restaurant.

Wie? Also wer?

Alle sollten es lesen. Gut für mich und unterhaltend für sie.
Okay, okay. So geht das nicht, sagt man. Ich hab's gegooglet. Oma oder Kinder (klingt wie geistig unterbelichtet, unglaublich), Gebildete oder Bildungsferne, Mann oder Frau, Land oder Region, Stadt oder Land (diskrimierend wie 'soziale Schicht' auch), Leser von Krimis, lokalen Krimis, Hochliteratur (haha), Thrillern, Kriegsromanen, Fantasy, Science Fiction, Familienromanen, erotischen Romanen, Liebesromanen. Bringt mir alles nichts.

In meinem Buch kommt alles vor. Es ist ein historischer Entwicklungsroman mit Liebe, Erotik, Spionage, Abenteuer und so weiter. Nur kein Gesäusel, wie bei... ich sag's nicht. Ach ja, ein Sachbuch ist es auch: Technik (Fliegen), Computer, Physik, Philosophie. Such's dir aus.

Bringt Dich nicht weiter.

Seh' ich leider auch so. Da fällt mir ein, dass da noch ein guter Vorschlag war: Definiere deinen Modell - Leser. Das versuch' ich jetzt.

Das ist ein Anfang.

Das Wort 'Leser' (Substantiv, maskulin) ist im folgenden synonym zu 'Leserin', wegen der Gendergerechtigkeit oder wie das heißt. Der Text sähe sonst komisch aus: Er/Sie, der/die Leser/in hat seine/ihre... also nee.



Mein Leser kann lesen und tut es auch. Er hat sogar Bücher, vielleicht nicht so viele im Schrank, aber unsichtbar in der Cloud. Er ist vielseitig interessiert und nimmt sich Zeit zum Lesen, weil es seine Phantasie anregt und er Dinge erfährt, die er noch nicht gewußt hat.

Er schaut auch gerne Dokumentationen an. Manchmal ärgert er sich über deren Oberflächlichkeit und Sensationsgier (Einschaltquoten!) und manchmal auch über die tendenziöse Absicht.

Er findet, dass Geschichte wichtig ist, damit wir nicht so viele Fehler wiederholen müssen und es interessiert ihn, wie der Alltag früher war, weil er sich das gar nicht mehr vorstellen kann.

Er schätzt Bücher von Robert Harris, Ken Follett, John Grisham, Noah Gordon, Dan Brown nicht, das Boot von Buchheim und hie und da Thomas Mann oder Ernest Hemingway wegen der Sprache. Und wenn er darauf gestoßen ist, liebt er Fred Vargas und Adamsberg, Camillieri und Montalbano oder den Nachtflug von Saint Exupéry. Den besonders. Und er ärgert sich tierisch über schlechte Übersetzungen und schlechte Sprache.