Worum es geht

Interview vom 17.12.2016


Deine Romane 'Das schmale Fenster' und 'Fortschritt' waren jeweils in einem halben Jahr fertig und die waren gar nicht schlecht. Warum dauert das so lange?

Gute Frage. Aber du sollst nach dem Inhalt fragen. Ob's viel Arbeit ist, interessiert doch keinen.

Was ist der Inhalt deines Buches?

Danke für die Frage! Zwischen 1935 und 1945 fand der gewaltigste Technologiesprung der Menschheit statt und das in einer unmenschlichen Diktatur. Ich erzähle die Geschichte eines humanistisch gebildeten und engagierten Junglehrers, dem die kleinlichen Anfeindungen und Intrigen der NS - Parteifunktionäre zu dumm geworden waren und der beschloss, in der faszinierenden Luftwaffe seinen Traum vom Fliegen zu verwirklichen. Geblendet von den großartigen, technischen Errungenschaften, den Abenteuern in sonst nie zu erreichenden Ländern und der wunderbaren Kameradschaft, wird er unbemerkt zum willfährigen Erfüllungsgehilfen eines verbrecherischen Regimes.

Und hier ausführlich: >Inhalt des Romans 'Zehn gute Jahre' als pdf


Aha. Gibt es nicht schon genug davon? Einmal muss Schluß sein.

Es gibt ein tiefgreifendes Problem. Fast alles, was wir zu sehen bekommen, handelt von den Gräueltaten. Keine Frage, dass die Aufarbeitung nötig ist. Aber diese Betonung suggeriert, dass uns das heute nicht mehr passieren kann, weil wir zu solchen Verbrechen gar nicht fähig wären.
Das ist ein gefährlicher Irrtum. Der 'normale' Bürger war damals genauso anständig wie heute. Auf Demagogen hereinfallen ist keine Spezialität des Dritten Reichs.
Die 'Demagogen' kamen bei uns lange Zeit nur aus der Konsumindustrie. Sie sind erst einmal nicht direkt bedrohlich. Aber sie sorgen für eine zunehmende Bildungsferne und ihr Mechanismus dient, höchst professionell, den Gefährlichen als Werkzeug. Der Teenager, der als Berufswunsch 'Promi' angibt, ist ein deutliches Zeichen für erfolgreiche Manipulation und für das Verschwinden von Bildung und Geschichtsbewußtsein.

Es gibt doch schon viele Bücher. Was ist bei dir anders?

Die seriöse Geschichtsschreibung findet immer aus Sicht der Mächtigen statt und ist für Leser nicht gerade spannend. Das 'normale' Leben kommt da nicht vor. Wer kämpft sich schon durch die Hitlerbiografie von Fest? Übrigens, wer sich in aller Kürze geschichtlich informieren will, dem empfehle ich Sebastian Haffners 'Anmerkungen zu Hitler'.
Manche der in der Nachkriegszeit sehr beliebten Landser- und Kriegs - Romane geben ganz gute Momentaufnahmen einer bestimmten Kampfsituation wieder. Sie dienen aber leider oft dem Zweck, Unverbesserliche in ihrer Meinung zu bestätigen. Informationsblase nennt man das heute.
Es gibt ein paar Ausnahmen: 'Winter der Welt' aus der Trilogie von Ken Follett, eine englische Familiensaga, die ich sehr mag, aber auch ein wenig verwirrend in der Vielfalt der handelnden Personen finde. Oder 'Das Boot' von Buchheim. Da ist das Umfeld sprichwörtlich begrenzt auf den engen Raum eines U-Boots. Ich versuche in meinem Roman, das ganze Leben eines Menschen in dieser Zeit in seiner ganzen Vielfalt zu schildern.

Was jetzt? Willst du erziehen oder unterhalten?

Unterhalten! Gedanken sollten dann von selbst kommen, hoffe ich.

Kommt auch Sex vor?

Was? Wie kommst du jetzt plötzlich darauf? Und ob. Ziemlich explizit sogar. Aber nicht so wie in Liebesromanen oder in Pornos. Sex gehört zum Leben und ich schildere das Leben als sachlicher Beobachter, genauso wie die damalige Situation der Hygiene und der Versorgung und Entsorgung. Bei Karl May und allen Abenteuerromanen stört mich, dass die Leute nie mussten. Manche Aktionen konnten so gar nicht stattgefunden haben.

Hmmm. Deine Helden sind alleine im Flugzeug. Und dazwischen haben sie es sich im Offizierskasino gut gehen lassen. "Sie lebten in ihren Messen, um gelegentlich zu fliegen und dann und wann mit dem Gegner ein ritterliches Duell auszutragen" glaubte Hitler. Und Böll schrieb: "Flieger sind in allen Armeen der Welt feine Leute, extravagante Tiere; sie haben einen Sonderstatus, der nicht nur durch die Kostspieligkeit ihrer Ausbildung bedingt ist, auch durch die Romantik, die gelegentliche Kühnheit und das in vielen Fällen unverkennbare sportliche ihres Tun und Seins". Ein gutes Leben, oder? Also, auch nicht richtig spannend, so existentiell, meine ich.

Nun ja, so einfach ist es nicht. Lies doch mal das Buch, haha.

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© 2016 Friedrich Haugg