Eine Message?

Hast du eine Botschaft, nun ja 'message' sagt man wohl heute?

Hab' ich und wie. Die Menschen, die heute aktiv sind, haben die Zeit des Kriegs und des Nachkriegs nicht erlebt. Sie leben auf einer Insel der Seligen und halten die bestehende Ordnung, die persönlichen Freiheiten, den Frieden und den Wohlstand für selbstverständlich, als nichts, wofür man aufmerksam kämpfen muss. Sie wollen keine Veränderung und sehen nicht, dass Veränderung der Normalzustand ist. Der unaufhaltsame Wandel einer eng zusammengerückten Welt macht ihnen Angst.

Unfähig zu eigenen Erkenntnissen folgen sie den Anweisungen der Konsumindustrie und merken nichts von den Gefahren.

Als da sind?

Den Satz schreib ich groß:

Ist die Freiheit wieder einmal zerstört, kann man sie auch diesmal nur mit Gewalt zurückerobern.

Gerade wir in Deutschland leben in großer Freiheit. da besteht doch nicht wirklich eine Gefahr, aufgeklärt wie wir sind, oder?

Es beginnt bei Kleinigkeiten. Bei den Amis heißt das der 'Nanny - Staat'. Eis - Schleck - Verbot im Schwimmbad gegen Übergewicht, Rauchverbot im Ozean stehend, Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen - ja auch in Deutschland: Freiburg, Münchner Hauptbahnhof. Hat alles gute Gründe, weiß schon.
Die Versicherungen haben etwas zur Gewinnoptimierung entdeckt: Prämien in Abhängigkeit vom Gesundheits- oder Gefahrenverhalten. Die Möglichkeiten der Technik wurden erkannt: Smartphones bestimmen über unser Leben: 'Heute bist du noch nicht genug gelaufen'. Es geht weiter: Die Nationalisten greifen die diffusen Ängste auf und locken mit einfachen, radikalen Lösungen. Dann wird die Basis der Demokratie zerstört: Andere Meinungen werden diffamiert (Lügenpresse), letztlich wird die Meinungsbildung dem Regime unergeordnet. Die Gerichte werden entmachtet, in dem man erst das Personal ersetzt, dann die Unabhängigkeit aufweicht. Die Opposition wird durch Diffamierung und Anklagen und am Ende durch Verbot zerstört. Das sind keine Hirngespinste. Schau in Nachbarländer (Polen, Ungarn, Türkei, Russland) oder studiere die Sprüche unserer deutschen Radikalen.
Ein Mittel sind die scheinbar so demokratischen Volksbefragungen. Klingt erst einmal gut. Aber wenn man genau hinschaut, stellt man fest, dass die Menschen hingehen, die durch die Demagogen aufgeheizt sind. Es gibt schon ein Wort dafür: 'Diktatur der Minderheiten'.

Ja schon. Aber sind das nicht nur temporäre Erscheinungen, weil wir noch keine adäquate Vision für die globale Welt entwickelt haben? Außerdem, was hat das mit deinem Buch zu tun?

Gleich. Ein Beispiel: Das generelle Rauchverbot in Bayern. 60% waren dafür. Klingt erst einmal wie ein klares Ergebnis. Und es trat als Gesetz in Kraft. Die Berichterstattung war durchwegs positiv. Selbst Raucher und Gastronomen begrüßten das Gesetz.

Ja und? Ist doch alles gut.

Als Nichtraucher findet man das natürlich gut. Die Raucher stammen ja ohnehin aus den bildungsfernen Unterschichten. Die können es sich eh bald nicht mehr leisten. Hihi.

Was willst du jetzt damit sagen?

Zwei moderne Begriffe, die du dir merken solltest: Schweigespirale und Echokammer.
Schweigespirale ist die freiwillige Zurückhaltung der eigenen Meinung, wenn man die Sorge hat, dass sie der Mehrheitsmeinung widerspricht. Die Echokammer oder auch die Informationsblase ist die Erscheinung, dass man nur die Information wahrnimmt, die der eigenen Meinung entspricht. Mit den heutigen Mitteln des Internets wird sogar algorithmisch dafür gesorgt, dass du hauptsächlich diesbezügliche Meldungen bekommst. Das erhärtet den Glauben, dass die Meinung auch objektiv tichtig ist.
Bevor du fragst, eine Veranschaulichung anhand des Rauchergesetzes. 60% waren dafür und die Kommentare fast alle positiv, damit ist das Volkes Meinung. Dazu folgendes: Er gab kritische Kommentare, sogar recht intelligente, die vor der fortschreitenden Einschränkung persönlicher Freiheiten warnten. Nur wurden sie nicht verbreitet. Und jetzt noch eine kleine Rechnung: 60% klingt gut, aber man sollte einen kleinen Blick auf die Wahlbeteiligung werfen. Die war nämlich 37,7%. Das ergibt, dass 60,86 von 37,7 = 22,9% für das Gesetzt waren, also nur jeder Fünfte. Es wären noch viel weniger gewesen, wenn man die Liberalen mehr hätte mobilisieren können. Das zum Thema: Das Volk will das so und schließlich haben wir eine Demokratie. 'Wir sind das Volk'. In dem Fall ist das Volk also höchstens die 22,9%. Geht dir ein Licht auf?

Hmmm.

Und jetzt zum Buch: Die Schweigespirale im Dritten Reich war sicher noch mehr ausgeprägt. Die andere Meinung war nicht nur schwersten Beschimpfungen ausgesetzt wie heute, sie war lebensgefährlich. Die Echokammer war perfekt. Es gab keine veröffentlichte andere Meinung mehr. Und daher hat auch die Mehrheit der Bevölkerung die staatlich verordnete Meinung für wahr gehalten. Schließlich wurde sie ja von der überwältigenden Mehrheit getragen. Dachte jeder. Im heutigen Deutchland werden andere Meinungen von einer Gruppe Radikaler niedergeschrien. Wie es in Polen oder Ungarn jetzt ist, weiß ich nicht. Aber in der Türkei scheint es bereits so zu sein, dass andere Meinungen gefährlich sind. Und das alles siehst du nicht als Gefahr? Dann gehörst du einfach auch zu der großen, beliebig manipulierbaren Masse. Armes Deutschland.

Ein bisschen schwarzmalerisch, oder?

Nein. Wir haben nämlich einen echten Brandbeschleuniger: Der Mangel an Bildung. Nur zwei Zitate dazu:

„Wer nicht weiß, was vor seiner Geburt geschehen ist, wird immer ein Kind bleiben. Denn was ist das Leben des Menschen, wenn es nicht durch die Aufzeichnung der Geschichte mit dem Leben seiner Vorfahren verwoben ist?“
„Schämen sollen sich die Menschen, die sich gedankenlos der Wunder der Wissenschaft und Technik bedienen und nicht mehr davon geistig erfasst haben als die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie mit Wohlbehagen frisst.“

Das Erste ist von Cicero(!), das Zweite von Einstein. Da biste platt, was?

Siehst du in deinem Roman tatsächlich Parallelen zu heute?

Aber ja. Man muss das Geschehen nur im Kontext der Geschichte sehen.

In der ersten deutschen Demokratie war gar nicht alles so schlecht. Sie war lediglich so zerrissen von Interessengruppen, dass sie auf die Menschen verwirrend und unfähig wirkte. Kommt dir das bekannt vor?

Die Wohlhabenden waren mehr oder weniger unter sich und ließen es sich blendend gehen. Die Mehrheit der Armen hatte keine Chance, irgendwann aus dem Schlamassel herauszukommmen. Dann kam einer, ein genialer Organisator und Redner, der die Medien optimal einsetzte. Man darf sich nicht täuschen. Heute wirken Hitlers Reden grotesk und jeder sagt zu recht, auf so etwas falle er niemals herein. In der damaligen Zeit aber begeisterten sie. Es waren mutige Tabubrüche und gaukelten klare, einfache Antworten auf komplexe Probleme vor. Dazu kamen einleuchtende Forderungen: Umfassende Bildung und Aufstiegsmöglichkeiten für alle ohne Ansehen ihrer Herkunft. Abschaffung des arbeitslosen Einkommens, also des Geldverdienens, nur weil man genug davon hat. Und wenn du das unappetitliche Wort 'Finanzjudentum' durch 'internationale Banken' ersetzt, werden dir auch die diesbezüglichen Aussagen sehr vernünftig vorkommen.

Außerdem vermittelte Hitler, dass er nur dem Volke diene. Sein bescheidenes Auftreten unterstützte das. Plötzlich war es wieder da, das große Gemeinschaftsgefühl, so wie es heute nur noch bei Anhängern von Fußballvereinen zu sehen ist. Hitlers eigentliche Motivation, die Macht um jeden Preis und seine Selbsterhöhung, wurde nur von den wirklich Klugen und geschichtlich Gebildeten erkannt. Die wanderten aus oder schwammen mit, oft auf wirklich zynische Weise. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass ein Göring wirklich überzeugt war. Er sah alles sehr genau, aber das Leben in vollen Zügen genießen, war ihm eindeutig wichtiger. Lies nur mal das Zitat am Anfang meines Buches, das er bei den Nürnberger Prozessen gesagt hatte.

Und wo stehen wir heute in deinem Bild?

Ein Hitler hätte keine Chance. Aber nimm einmal einen wirklich überzeugenden Redner, sehr seriös und gebildet, sehr vertrauenswürdig, der das hohe Lied der Demokratie singt, den Menschen aber klar macht, dass nur Stärke die vielen Probleme lösen kann. Der wird Erfolg haben und was für einen. Gut, dass derzeit keine Person so heraussticht. Es brodelt in Europa. 'Wir sind das Volk' intonieren die Menschen, 50% in Österreich, wahrscheinilich Mehrheiten in England und Frankreich und etwas zögerlich, aber aus ganzem Herzen, auch bei uns. Und sie suchen das Heil nicht etwa in Europa, was angesichts der Geschichte das einzig Richtige wäre. Nein, sie brüllen schon wieder das alte Völkische, den Nationalstaat von gestern, heraus. Sie haben wirklich keine Ahnung von Geschichte, schrecklich.

Aber es geschieht doch nicht wirklich etwas Schlimmes. Die Menschen sind klüger geworden.

Sind sie das? Ich sehe zunehmende Gewalttätigkeit, beginnend mit anonymen Shitstorms, und letztlich zunehmende Bewaffnung. Übrigens, anonym waren damals die Schreier in der Masse auch.

Es gibt unzählige Dokumentationen über den 2.Weltkrieg. Sorgen die nicht für die nötige Bildung?

Das sehe ich leider völlig anders. Die Dokumentationen erinnern mich in fast allen Fällen an die Filme (von Hitchcock), die der Umerziehung dienten. Egal, was der Inhalt ist, grundsätzlich kommen die Massaker und die Judenvernichtungen vor. Die Berichterstattung darüber ist unglaublich wichtig, das ist nicht der Punkt. Aber diese Dokumentationen suggerieren, dass das Unmenschliche allgegenwärtig war und implizieren, dass die Menschen allesamt involviert waren. So tragen sie nicht dazu bei zu verstehen, wie schleichend sich das Übel ausbreitete. Die heutigen Menschen fühlen sich gefeit vor Ähnlichem, weil sie ja niemals solche Untaten begehen würden. Das ist eine reale Gefahr.

Glaubst du wirklich an die Gefahr einer staatsstreichartigen Machtübernahme?

Nein. Es geht viel einfacher. Die Werkzeuge unserer Demokratie eignen sich hervorragend. Demokratie demokratisch abschaffen, wie in der Türkei, in Ungarn oder Polen. Funktioniert prima. Hitlers Ansatz war weniger elegant.

Es wird die ökonomische Vernunft siegen.

Aber die steht doch gar nicht im Widerspruch zu den nationalistischen Ideen. Sie werden Finanz und Handel international treiben wie bisher, hat Hitler auch gemacht, aber sie werden Schritt für Schritt unsere Freiheit einschränken. Sind wir ja schon gewohnt durch die Konditionierung zum Konsum.

Immerhin wird es keinen Krieg mehr geben.

Ha, von wegen. Wir werden uns kräftig aufrüsten. Wegen der Bedrohungen von außen. Du wirst jetzt sagen, in Europa gab es seit 1945 keinen Krieg mehr. Selbst in den Zeiten des Kalten Kriegs ist er nicht ausgebrochen. Das ist ein gefährlicher Irrglaube. Damals haben die atomare Bedrohung und die beiden Supermächte das Gleichgewicht erhalten. Ohne Atombombe hätte das schon anders ausgesehen. Und es gab den berühmten 'Feind von außen', der in diesem Falle die Menschen der westlichen und vermutlich auch der östlichen Welt zusammengeschweißt hat.

Aber es gibt doch den islamischen Terrorismus? Das wäre doch so ein 'Feind von außen'?

Ist er nicht. Die Parteien, die ihn eigentlich gemeinsam bekämpfen müssten, sind viel zu zerstritten und vor allem, sie haben extrem unterschiedliche Interessen. Das war im Kalten Krieg ganz anders. Aber jetzt genug davon.

Noch ein Nachdenksatz für Menschen, die Veränderungen hassen: 'Wenn der Wind bläst, bauen die einen Mauern, die anderen Windräder'. Gut, oder? Ist aus China.

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© 2017 Friedrich Haugg

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